Das Leben des heiligen Hubertus

Die Verehrung des hl. Hubertus im Wandel der Jahrhunderte –  Beschützer vor Tollwut, Patron der Jäger, Schützen und Reiter

Es darf angenommen werden, dass Hubertus zwischen den Jahren 655 und 665 geboren wurde. Über seine Herkunft lässt sich wenig feststellen. Sicher ist nur, dass er ein Schüler des hl. Lambertus, des Bischofs von Tongern und Maastricht war und nach dessen Ermordung (698 oder 705) Nachfolger auf dem Bischofsstuhl wurde. Wenig weiß man über seine bischöfliche Laufbahn, eigentlich nur so viel, dass er die Ardennen christianisierte. Er erbaute in Lüttich, das zum Einzugsgebiet seiner Diözese gehörte, die Lambertuskirche – in diese überführte er die Gebeine seines Vorgängers – und verlegte später auch seinen Bischofssitz nach Lüttich. Hier erbaute er auch die Petruskirche. Bischof Hubertus starb am 30. Mai 727 und wurde in der Petruskirche, in der Nähe eines Nebenaltars, beigesetzt. Am 3. November 743 wurden die Gebeine des Bischofs Hubertus erhoben und am Hauptaltar der Petruskirche erneut beigesetzt. Damit war nach damaliger Auffassung die Heiligsprechung des Bischofs Hubertus vollzogen. Der Tag der Erhebung, der 3. November, ist heute noch der Namenstag des Bischofs Hubertus.

Der erste anonyme Biograph des Heiligen schrieb nach 743 die erste Lebensbeschreibung des Bischofs Hubertus, seine Herkunft erwähnte er nicht. Er berichtet auch von Wundern, die der Heilige zu seinen Lebzeiten vollbracht haben soll. Eines dieser Wunder könnte bei großzügiger Beurteilung in Richtung des Tollwutbrauchtums gesehen werden.

Am 21. September 825 wurden die Gebeine des hl. Hubertus erneut erhoben und in das Kloster Andain, dem späteren Saint-Hubert, gebracht. Hier soll bereits erwähnt werden, dass die Gebeine des Heiligen, die Jahrhunderte lang in einem kostbaren Schrein in Saint-Hubert aufbewahrt wurden und mehrere Male vor plünderndem Kriegsvolk in Sicherheit gebracht werden mussten, seit dem 17. Jahrhundert nicht mehr –  ungeteilt – auffindbar sind.

 

 

Die Legende des hl. Hubertus

Schon früh bildete sich eine Legende um das Leben des hl. Hubertus, die im Wesentlichen im 16. Jahrhundert vollendet ist und insbesondere das mystische Geschehen betont, wie „die Bekehrung des Hubertus durch den kreuztragenden Hirsch“, „die Herabreichung der Stola aus dem Himmel durch einen Engel als Geschenk der Mutter Gottes“ und „die Übergabe eines Schlüssels durch Petrus“.

Nach der Legende ist Hubertus ein aquitanischer Fürstensohn und Pfalzgraf bei Theoderich III. in Neustrien (westlicher Teil des Reiches der Franken). Eines Tages – es war an einem hohen Feiertag – geht Hubertus, anstatt die Messe zu besuchen, zur Jagd. Da erscheint ihm ein Hirsch, der zwischen dem Geweih das Zeichen des hl. Kreuzes trägt. Er hört auch eine Stimme, die ihm sagt: „Wenn Du Dich nicht zum Herrn bekennst, wirst Du schnell zur Hölle hinabfahren.“ Daraufhin wird Hubertus ein gottesfürchtiger Mann und Schüler des Bischofs Lambertus. Um seine Tugenden weiter zu vervollständigen, begibt er sich nach Rom. Als Hubertus in der Peterskirche ankommt, sagt er dem Papst seinen Namen. Der Papst führt ihn vor den Apostelaltar und verkündet ihm den Tod seines Herrn. Der Papst will ihn zum Nachfolger von Lambertus weihen. Hubertus weigert sich, die Würde und das Amt seines Lehrers anzunehmen. Als aber plötzlich die Gewänder des hl. Bischofs von Engeln nach Rom gebracht werden, gibt er nach. Jedoch fehlt die Stola. Ein Engel bringt auch diese als Gabe der Mutter Gottes. Der Papst kann jetzt den hl. Hubertus weihen. Während dieser die Messe in St. Peter feiert, erscheint der Apostelfürst und übergibt dem gerade zum Bischof geweihten Hubertus einen goldenen Schlüssel. Unterdessen wird in Maastricht das Begräbnis des hl. Lambertus begangen. Dabei ertönt eine Stimme, die die Wahl des Hubertus zum Nachfolger des Verstorbenen anzeigt. Hubertus verlässt Rom mit Schlüssel und Stola und gelangt in seiner Heimat an, wo ihm ein glänzender Empfang zuteil wird.

 

Bildergalerie: Die  Hubertuskapelle von innen

Die Anrufung des hl. Hubertus bei Tollwut

Menschen und Tiere können von der Tollwut befallen werden. Über das Wesen und die Ursache der Tollwut herrschten die verworrensten Vorstellungen. Bereits seit dem Altertum wurden in vielen Schriften u.a. folgende Ursachen der Krankheit angegeben: spontane Entstehung, starke Temperaturschwankungen, schlechte Luft, zu heiße und zu kalte Speisen, unbefriedigter Geschlechtstrieb. Schon im Altertum behandelte man die durch den Biss eines tollwütigen Hundes gesetzten Wunden mit Ausbrennen, Ausschneiden und Ausätzen, also mit Verfahren, die sich bis in das vergangene Jahrhundert gehalten haben und sehr sinnvoll waren. Noch bis Anfang des 20. Jahrhunderts kamen die verschiedensten mineralischen und pflanzlichen Heilmittel, die oftmals aus uraltem Heilzauber hervorgegangen waren, zur Anwendung.

In früherer Zeit stand die Bevölkerung diesem Krankheitsgeschehen weitgehend machtlos gegenüber. In der Regel wird die Tollwut durch den Biss wutkranker Tiere übertragen. Bis zum Ausbruch der Krankheit können Wochen und Monate vergehen. Ist die Wutkrankheit einmal ausgebrochen, verläuft sie sehr qualvoll und unbedingt tödlich.

Neben dem Gebrauch der erwähnten Heilmittel suchten die Menschen in ihrer großen Not Zuflucht im Glauben. Das weltliche Leben war damals bis in seine täglichen Verrichtungen geprägt von kirchlichen Übungen und volksfrommen Verrichtungen. Die Menschen richteten ihre Gebete zum hl. Hubertus in der Hoffnung, vor Tollwut bewahrt zu werden. Die Schutzpatronate hatten sich oftmals dadurch gebildet, dass das gläubige Volk die Heiligen nicht nur um Fürbitte bei Gott – wie es kirchliche Lehre ist – anrief, sondern den Heiligen auch eigene Wirksamkeiten, die durch legendenhaft ausgeschmückte Wunder bestätigt wurden, zuordnete. Die Not der Gebissenen war unendlich groß, und so ist es zu verstehen, dass diese sich mit aller Macht des Glaubens an das einzige klammerten, das ihnen wirklich helfend erschien.

Die Tollwut wurde nach ihrem Erscheinungsbild als eine Art Besessenheit betrachtet, denn in den letzten Stadien dieser Krankheit ähnelt der Befallene einem geistig Gestörten. Daher ist es verständlich, wenn man glaubte, ein böser Geist sei in den Körper des Leidenden gefahren. Nach altem Glauben kann aber ein böser Geist die Berührung mit einem geweihten Gegenstand – nach kirchlicher Tradition insbesondere mit einer Stola (streifenförmiges, liturgisches Gewandstück eines Priesters) – nicht vertragen und wird durch ihn veranlasst, zu weichen. Der Gläubige, der von einem wütigen Tier gebissen worden war, wanderte – in vergangenen Jahrhunderten – zur Stätte des Wirkens des hl. Hubertus, nach Saint-Hubert in den Ardennen, um sich „einschneiden“ zu lassen. Dem Hilfesuchenden wurde von einem Geistlichen ein kleiner Stirnschnitt gesetzt und in die Wunde ein Fädchen der Stola des hl. Hubertus eingelegt. Um die Wunde zu schützen und um das Herausfallen des Stolateilchens zu verhindern, erhielt der „Gestolte“ einen Kopfverband mit einer schwarzen Binde, den er 9 Tage lang tragen musste. Dieser Handlungsweise lag der Gedanke zugrunde, dass die Einführung eines Teiles des geweihten Gegenstandes, der Stola, in den Körper des Hilfesuchenden sicherlich eine stärkere Wirkung ausüben würde als nur die Berührung mit dem geweihten Gegenstand.

Aber auch das Wohl der Tiere wurde dem Heiligen anvertraut. Mit „Hubertusschlüsseln“ –  eine Art Handstempel, deren eiserner Stiel umfasst war von einem hölzernen Griff und deren Platte ein Jagdhorn, von Trageschnüren gehalten, darstellte – wurden Tiere gebrannt. Diese Hubertusschlüssel waren in Saint-Hubert gesegnet und mit der Stola des Heiligen berührt worden. Aus dem „Unterricht“, der Gebrauchsanweisung für den Hubertusschlüssel, geht hervor, dass das glühend gemachte „Hörnlein“ des Hubertusschlüssels auf die Wunde oder, falls dies nicht möglich war, auf die Stirn zu drücken sei. Auch gesundes Vieh konnte aus „Vorsichtigkeit“ – also vorbeugend – mit dem Hubertusschlüssel auf die Stirn gebrannt werden.

Die Gläubigen waren davon überzeugt, dass in Saint-Hubert laufend Wunder geschahen, denn nur wenige der Gestolten erkrankten an Tollwut. Wir wissen jedoch heute, dass ein nachweislich tollwütiger Hund, der einem Menschen eine Wunde zufügt, nur in etwa 25 Prozent der Fälle die Tollwut überträgt. Da jedoch auch viele Personen nach Saint-Hubert pilgerten, die von einem Tier gebissen waren, welches keine Tollwut hatte, ist es aus heutiger Sicht verständlich, dass die Erfolgsquote nach dem „Stolen“ sehr groß war.  Beurteilt man die Anweisung für den Gebrauch des Hubertusschlüssels, so kann festgestellt werden, dass das Ausbrennen einer Wunde, die ein tollwütiges Tier einem gesunden zugefügt hat, ein gutes Behandlungsmittel gegen die Krankheit Tollwut war. Das Brennen der Stirn des Viehs, das vielleicht abgeleitet war von dem Stolen mittels Stirnschnitt, war jedoch eine zwecklose Handlung und kann nur aus einem Bewusstsein tiefer Gläubigkeit verstanden werden.

 

Die Verehrung des hl. Hubertus

Bereits im 10. und 11. Jahrhundert werden durchgeführte Einschneidungen bei Personen, die mit der Krankheit Tollwut in Berührung gekommen sind, beschrieben. Bischof Hubertus ist bereits zu dieser Zeit – wahrscheinlich aber auch schon früher – Schutzpatron der Jäger. Seit dem 13. Jahrhundert sind Skulpturen vorhanden, die Bischof Hubertus darstellen. Auch wird ein Zyklus auf Fresken gezeigt, der sowohl eine Person darstellt, die vor einem kreuztragenden Hirsch kniet, als auch einen schwebenden Engel, einen Papst und ein Gebilde, das einer Stola ähnelt. Im 14. Jahrhundert werden erstmalig die „Vier Marschälle“ erwähnt, die „wegen ihrer einzig darstehenden Verdienste und täglichen Hilfe bei Mensch und Tier“ – besonders im Kölner Raum – verehrt wurden. Zu diesen Heiligen gehörte Hubertus als Beschützer vor Tollwut. Seit dieser Zeit waren auch Altäre dem hl. Hubertus geweiht. Erneut wird die Bekehrungsszene gezeigt, hier in einem Missale, und Skulpturen des Bischofs Hubertus halten Hörner in Händen, welches auf das Jagdpatronat hinweist.

Der heilige Hubertus ist bis in die heutige Zeit eine der volkstümlichsten Heiligengestalten. In den vergangenen Jahrhunderten wurden ihm nicht nur im Gebiet um Lüttich/Belgien, seiner Wirkungsstätte als Bischof, und im Ardennenstädtchen Saint-Hubert, wo lange Jahre des Heiligen Gebeine ruhten, eine große Verehrung zuteil, sondern auch in den angrenzenden Landesteilen. Er war Beschützer vor Tollwut, Patron der Jäger, Schützen und Reiter.

Text: Günther Schlieker

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